Jeremy Clarkson hat den alten Volvo XC90 einmal in einem Top Gear Test vor Jahren als das beste Familienauto überhaupt bezeichnet (gleich nach einem Ranger Rover Discovery natürlich). Der Vorgänger des neuen XC90 dürfte einer der SUV mit der längsten Bauzeiten überhaupt gewesen sein. Volvo musste scheinbar kaum was tun, um den 7-Sitzer auch noch im betagten Modellalter zu verkaufen. Irgendwann war es dann aber soweit, herausgekommen ist ein moderner 7-Sitzer mit einem einheitlichen 4-Zylinder als Antriebsquelle – wahlweise in unterschiedlichen Leistungsstuffen bis zum 400 PS starken T8 mit starker Hybridisierung. Gefahren bin ich den aktuell stärksten Diesel D5 AWD – noch ohne Partikelfilter! Doch dazu später mehr.

Fangen wir mit dem Innenraum an – war ich voll des Lobes für die Bedienung im neuen Cayenne und wenig begeistert über dessen Bose Sound System – so ist es hier genau andersherum.

Das Volvo B&W Soundsystem ist eine wahre Freude und mit „Konzertsaal“ Modus spielen meine Tidal.com Test Stück hervorragen klar, wohl präsentiert über die virtuelle Bühne – Respekt Volvo & B&W… für 3800 CHF habt Ihr ein super Hifi System aufgebaut.

Die Zeit die Ihr in die Abstimmung der Hifi-Anlage gesteckt habt, hättet Ihr auch mal besser in das hochkant gestellte Touch-Panel stecken sollen. Hier fällt der Volvo klar hinter die Konkurrenz aus Stuttgart, München, Ingolstadt und USA zurück. Die Bedienung ist kompliziert und teilweise einfach unlogisch. Das Display reagiert mit derart starker Verzögerung, dass es über kurz oder lang einfach nervt. Auch fehlen ein paar simple „quick access“ Tasten – z.B. für die Park Distanz Piepser – die zwar selber angehen wenn man langsam fährt und sich einem Objekt nähert, aber dann auch unvermittelt ausgeht und ausbleibt.

Die Mittelkonsole ist mit reichlich Ablagen gesegnet und macht wie der Rest des Innenraums einen sehr hochwertigen Eindruck. Insgesamt ist die Verarbeitung mal abgesehen vom Navi-/Multimedia-System auf sehr gutem Niveau und braucht sich selbst hinter einem Porsche Cayenne nicht verstecken.

Der Digitale Tacho ist gut ablesbar und zeigt reichhaltig Informationen an, ist aber von der Nutzung her nicht so gelungen wie bei Porsche oder Audi mit der eingeblendeten Navigation. Die Stärke des Volvo ist ganz klar die Geborgenheit welche er vermittelt. Fast schon wie ein Discovery nimmt er einen auf und stellt sicher, dass man wohlbehalten von A nach B kommt… no matter what! Dabei hilft auf das hervorragende Auto-Pilot System – ähnlich der Lösung von Tesla nur etwas weniger mutig, erlaubt es auf Autobahnen bis 130 km/h das assistierte Pilotieren. Das System hält brav die Spur, Bremst und Beschleunigt – Spurwechsel muss man allerdings selber machen. Das ganze geht auch für einige Sekunden ohne Hände am Lenkrad und erinnert vom Verhalten doch sehr stark an das System von Porsche aus dem Panamera oder dem Tesla Model X.

Ein Teil der Geborgenheit resultiert auch aus den Grösse des XC90. Deutlich wird das im Parkhaus – die Parklücke wird ausgefüllt – restlos und darüberhinaus. Es bleibt kaum Platz zum Verlassen des Fahrzeugs – die dicken Türen tragen da auch noch Ihren Beitrag zu bei.

Dafür passen auf die 4,95 Meter allerhand Leute und Gepäck – 7 Sitze kein Problem. Volvo zeigt sich hier von der familientauglichen Seite – integrierte Kindersitze, Fond-Klima, Sonnenschutz – gibt es alles in sinnvollen Paketen zusammengestellt.

Leder und Sitze sind übrigens ok – lediglich an Seitenhalt mangelt es etwas und auch die Sitztiefe ist hier ein alt bekanntes Problem von SUV.

Optisch macht der XC90 derweilen einen auf Präsenz – er ist eine stattliche selbstbewusste Erscheinung – das schüchterne Design des Vorgängers lässt er weit hinter sich. Beim Preis kommt man für das Topmodell mit nahezu perfekter Ausstattung auf 125.000 CHF – im Gegensatz zu Tesla und Porsche sind da aber noch deutliche Rabatte drin… so dass man zwar auch 96.000 am Ende hinlegt – dafür aber ein vollausgestatteten 7-Sitzer mit Konzertsaal Akustik bekommt!

Kommen wir zu den nicht ganz so positiven Aspekten des XC90 – Motor und Fahrwerk – beides wurde offenbar anderen Tugenden geopfert. Es ist schon fast eine Schande, dass ein solch gutes Auto kein V6 Diesel oder V8 Benziner bekommt. Natürlich mangelt es den Turbo-Kompressor 2.0 Vier-Zylinder Diesel nicht an Power um die 2,3 Tonnen zu bewegen und man ist auch kein fahrendes Hinderniss – aber souverän, geschmeidig und leise können andere und nicht mehr Volvo.

Das Fahrwerk hat sich diesem Mangel an Souveränität direkt angeschlossen – Sicherheit first, Fun last – die Seitenneigung in schnellen und langsamen Kurven ist beachtlich und erinnert an den Mercedes GLS – als Beifahrer braucht man einen starken Magen, möchte man etwas in Ruhe lesen, während der Fahrer die Landstrasse oder Autobahn schneller in Angriff nimmt. Da helfen auch die unterschiedlichen Dämpfer Einstellungen nicht – hier müsste es einen Wankausgleich geben!

So – would Jeremy also recommend this car – well, no… ich glaube es nicht. Die Qualitäten des Volvos in Sachen Raum, Verarbeitung und Familientauglichkeit sind unbestritten hervorragend. An die umständliche Bedienung und das langsame Touch Display dürfte man sich gewöhnen.  Das Desaster mit Motor und Fahrwerk hingegen kann man bei dem Preis nicht ignorieren. Für Fahrer die sicher, geborgen und langsam von A nach B wollen – bleibt der XC90 genau das richtige Auto! Die Motorisierung sollte man sich aber gut überlegen, der D5 AWD käme er für mich jedenfalls nicht in Frage – Souveränität geht anders, auch wenn die Optik es eigentlich verspricht!